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Nachdem sich die Terminplanung pandemiebedingt schwierig gestaltet hatte, konnte am Donnerstag, den 07. April 2022, ein bereits geplanter Vortrag von Prof. Dr. Klaus Zierer für das Kollegium nachgeholt und in thematisch ausgeweiteter Form als SchiLF im Rahmen einer Präsenzveranstaltung stattfinden.

In seinen einführenden Worten verwies OStD Helmut Ettengruber auf die Digitalisierungsschritte, die das Gymnasium seit seiner Amtseinführung im Jahr 2018 genommen hat. Die im Zuge der Generalsanierung moderne digitale Ausstattung wurde zunächst noch ergänzt durch die Einführung des Info- sowie des Elternportals als Kommunikationsplattformen. Es folgte die Anschaffung von Tablet-Klassensätzen zur Nutzung digitaler Endgeräte im Klassenverband oder die Erstellung eines Mediencurriculums. Auf diese Weise ist es zunehmend gelungen, die Entwicklung hin zur digitalen Schule anzustoßen – ein Prozess, der durch die Pandemie nochmals massiv beschleunigt wurde.

In Zusammenhang mit der Aktualisierung des Rahmenkonzepts Distanzunterricht wurden die Schulen bereits im Sommer 2021 aufgefordert, „digital gestützte Maßnahmen, Methoden und Materialien, die sich im Distanz- bzw. Wechselunterricht bewährt haben, in geeigneter Weise nun auch im Präsenzunterricht systematisch ein- bzw. fortzusetzen, und für eine bestmögliche Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die künftige Alltags- und Arbeitswelt zu nutzen“. Diese Forderung wurde zu Beginn des Schuljahres 2021/22 noch weiter konkretisiert. Innerhalb des sog. Kompetenzrahmens DigCompEdu Bavaria soll bzw. muss die digitalisierungsbezogene Schulentwicklung weiter vorangetrieben werden. Der DigCompEduBavaria soll zudem dauerhaft als Steuerungsinstrument der Schul- und Personalentwicklung etabliert werden und die verschiedenen Handlungsfelder sollen somit in das Schulentwicklungsprogramm und das schuleigene Medienkonzept integriert werden.

Vor diesem Hintergrund schätzte sich die Schulleitung sehr glücklich, zum Schwerpunktthema „Digitale Medien – Möglichkeiten und Grenzen für die schulische Bildung“ in Prof. Dr. Klaus Zierer einen hochkarätigen Experten für eine Veranstaltung mit den Lehrkräften gewinnen zu können.
Einleitend verwies der Referent auf Aspekte der öffentlichen Diskussion zum Thema; so sei beispielsweise ein großer Teil der Mittel aus dem Digitalpakt für Schulen noch nicht ausgegeben worden. Das Phänomen der sog. „tech fatigue“ – Ermüdungserscheinungen insbesondere im Hinblick auf die häufige Nutzung von Videokonferenztools in Folge der Pandemie – sei zu beobachten. Und grundsätzlich habe die Debatte zur digitalen Bildung zu einer großen Polarisierung geführt; auf der einen Seite herrsche große Euphorie, auf der anderen Seite gebe es viele kritische Stimmen, nahezu apokalyptischen Szenarien würden bedient. In einem Kollegium unserer Größe sei erfahrungsgemäß die ganze Bandbreite an entsprechenden Positionen vertreten. Um die Schulentwicklung in diesem Bereich voranzubringen, gelte es, eine gemeinsame Position und Vision zu entwickeln.

In seinen weiteren Ausführungen befasste sich Prof. Zierer zunächst mit der Frage, in welchem Maß die Schüler durch den Einsatz digitaler Medien in ihren Lernprozessen unterstützt werden. Auch hier konstatierte er eine Dichotomie zwischen einer beobachtbaren Überschätzung der Wirksamkeit und des Nutzens digitaler Möglichkeiten und andererseits einer Unterschätzung der damit verbundenen Gefahren und Risiken.

Seine These, die sich als roter Faden durch den Vortrag zog, war dabei, dass weder Medien noch Technik noch der vorgegebene Handlungsrahmen die zentrale Stellschraube für gelingenden Unterricht seien; vielmehr sei die Professionalität der Lehrkraft maßgeblich für die Unterrichtsqualität. Ausgehend von Art. 131 der Bayerischen Verfassung legte der Referent den Fokus auf Werteorientierung als Basis unseres Bildungssystems. Damit müsse die Sinnhaftigkeit des Lernens in den Blick genommen werden und jede Lehrkraft bzw. jede Fachschaft müsse sich die Frage stellen, wie in den jeweiligen Fächern nicht nur Wissen und Können vermittelt werden, sondern auch ein Beitrag zur Herz- und Charakterbildung geleistet werden könne. Zudem sei die Entwicklung und Bewusstmachung von wesentlichen Lernstrategien ein entscheidendes Moment für den Lernerfolg; dies könne über ein fachbezogenes Curriculum im jeweiligen Fachunterricht etabliert werden.

Hinsichtlich der Wirksamkeit digitaler Medien und ihrer Auswirkungen auf schulische Leistungen stellte Prof. Zierer Ergebnisse der Metastudie „Visible Learning – Lernen sichtbar machen“ des einflussreichen Bildungsforschers John Hattie vor. Diese Studie umfasst eine Zusammenstellung verschiedener Einflussfaktoren auf den schulischen Lernerfolg und ordnet diesen Faktoren eine bestimmte Effektgröße zu. Alle Kriterien, denen ein überdurchschnittlicher Effekt zugeschrieben wird, werden als wirksame Maßnahmen zur Steigerung des Lernerfolgs bewertet. Die Analyse des Datensatzes zur Wirksamkeit der Digitalisierung zeigt, dass eine „digitale Revolution“ bislang nicht messbar ist. Zusätzlich verwies Herr Zierer auf eine Reihe empirischer Studien, die einen kritischen und reflektierten Umgang mit digitalen Medien im schulischen und außerschulischen Kontext nahelegen. So habe die sog. „Brain-Drain-Studie“ deutlich gemacht, dass allein schon die Nähe des eigenen Smartphones ein immenses Ablenkungspotential berge. Im Hinblick auf die Nutzung von Tablets für Mitschriften und Notizen sei eine weitere Studie zum Ergebnis gekommen, dass eine Mitschrift mit Papier und Stift aufgrund der selektiveren Vorgehensweise und der Einfügung von mehr Querverweisen etc. oftmals effektiver und nachhaltiger sei. Ebenso gebe es Erkenntnisse, dass digitales Lesen weitaus oberflächlicher sei als analoges Lesen, was den Schluss „Don’t throw away your printed books.“ aus der gleichnamigen Studie erlaube. Grundsätzlich sei Lesekompetenz beispielsweise ein äußerst bedeutsamer Schlüssel zur Demokratiefähigkeit; dem Vorlesen und Lesen komme damit eine weitaus entscheidendere Rolle zu als der Handynutzung.

Die Quintessenz aus diesen Erkenntnissen und Beobachtungen besteht laut Prof. Zierer darin, dass Lernerfolg immer mit der Unterrichtsqualität und dem professionellen Handeln der Lehrkraft korreliere. Dabei zeigte er anhand des Didaktischen Dreiecks auf, dass neben der Fachkompetenz, der didaktischen und pädagogischen Kompetenz der Haltung und dem Rollenbild einer Lehrkraft als verbindendes Element eine entscheidende Funktion zukomme. Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen „Lernen bleibt Lernen“; ein schlechter Unterricht werde durch den Einsatz digitaler Medien vermutlich nicht besser, allenfalls ein guter Unterricht könne dadurch profitieren. Entscheidend sei im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien vor allem die medienerzieherische Begleitung, die die Schülerinnen und Schüler zur Einnahme einer kritisch-konstruktiven Perspektive befähigt.

Schulen, die erfolgreich durch die Pandemie gekommen seien, hätten in erster Linie gemeinsame Leitlinien und Visionen entwickelt. Dabei gelte es, Fragen nach den eigenen Zielsetzungen, nach den Kriterien guten Unterrichts oder den Erwartungen an die Lernenden nachzuspüren. Nicht allein durch die Anstrengungen der individuellen Lehrkraft, sondern erst im Team könne sich diese Art der Qualitätsentwicklung erfolgreich vollziehen.

Gerade die Herausforderungen der Digitalisierung erforderten darüber hinaus den Schulterschluss zwischen Schule und Elternhaus. Gute Elternarbeit und eine gelingende Kooperation und Kommunikation könnten dabei wesentliche Impulse setzen. Und schließlich müssten die Eltern auch ins schulische Boot geholt werden, um bei den Schülerinnen und Schülern eine Lernhaltung zu entwickeln, die geprägt ist durch selbstständiges und gewissenhaftes Arbeiten, die Entwicklung von Lernstrategien und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen; erst dadurch könne sich nachhaltiger Lernerfolg einstellen. Damit kamen neben dem Schwerpunktthema zusätzlich auch ganz „analoge Themen“ zur Sprache, die es aus pädagogischer Sicht immer wieder zu reflektieren gilt.

Schließlich stellte sich Prof. Zierer den Fragen der Lehrkräfte und der Nachmittag endete in einem anregenden und lebendigen Austausch. So bot die Veranstaltung eine Vielzahl von Impulsen zur Selbstreflexion und die Gelegenheit, den Ist-Stand auf dem Weg zur digitalen Schule zu analysieren und bereits entwickelte Konzepte und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen.

Schulleiter Helmut Ettengruber und seine Stellvertreterin Elisabeth Rembeck freuten sich sehr, dass sie in Herrn Prof. Dr. Klaus Zierer einen national und international renommierten Experten auf dem Gebiet der Schulpädagogik als Referenten für ihr Kollegium gewinnen konnten. Abschließend bedankte sich Herr Ettengruber mit einem kleinen Präsent sehr herzlich für dessen fachlichen Input und seine Bereitschaft, der Schule auch weiterhin als pädagogischer Ratgeber zur Verfügung zu stehen.

Elisabeth Rembeck

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Gymnasium Dingolfing